Die Geschichte von »Der Junge im gestreiften Pyjama« ist schwer zu beschreiben. Normalerweise geben wir an dieser Stelle ein paar Hinweise auf den Inhalt, aber bei diesem Buch – so glauben wir – ist es besser, wenn man vorher nicht weiß, worum es geht. Wer zu lesen beginnt, begibt sich auf eine Reise mit einem neunjährigen Jungen namens Bruno. (Und doch ist es kein Buch für Neunjährige.) Früher oder später kommt Bruno an einen Zaun. Zäune wie dieser existieren auf der ganzen Welt.
Bruno, ein neunjähriger Junge, steht vor großen Veränderungen, als sein Vater unerwartet befördert wird und die Familie nach Auschwitz ziehen muss. Doch Bruno versteht den Ort nicht wirklich und nennt ihn stets „Aus-Wisch“. Die Arbeitsaufgaben seines Vaters bleiben für ihn ein Rätsel, und er beginnt, immer mehr Fragen zu stellen. Leider findet er keine ehrlichen Antworten, und dieses Schweigen wird am Ende tragische Konsequenzen für ihn haben.
Seine Neugierde wird besonders durch die uniforme Kleidung der Menschen hinter dem Zaun geweckt. Alle tragen den gleichen „gestreiften Pyjama“. Diese merkwürdige Erscheinung lässt Bruno nicht los, und er beschließt, die Umgebung hinter den Zäunen zu erkunden. Dabei stößt er auf einen kleinen Jungen namens Schmuel, der sich als sein erster Freund in dieser neuen, unverständlichen Umgebung entpuppt. In ihrer unschuldigen Freundschaft versuchen sie, die Barrieren zu überwinden und die Geheimnisse hinter den Zäunen zu enträtseln.
Bruno’s Unverständnis für die Geschehnisse um ihn herum wird durch die Entdeckung von Schmuel und ihrer Freundschaft verstärkt. Der Leser begleitet die beiden Jungen auf ihrem Abenteuer, während sie versuchen, die Absurditäten der Erwachsenenwelt zu begreifen und ihre Unschuld inmitten der grausamen Realität zu bewahren. Doch die Geschichte nimmt eine düstere Wendung, und Brunos Unkenntnis der wahren Natur von Auschwitz wird zu einem herzzerreißenden Höhepunkt führen.
„Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist ein Buch, das nicht nur aufgrund des Themas – Konzentrationslager und Holocaust – tief berührt, sondern auch durch die erzählerische Naivität eines Kindes einen einzigartigen Zugang schafft. Die Leichtigkeit und Unschuld, mit der die Geschichte präsentiert wird, steht im krassen Kontrast zu den verstörenden Realitäten, die sich dahinter verbergen. Der Autor vermittelt eine Welt, in der die Worte „Führer“, „Auschwitz“ und „Juden“ durch kindliche Verniedlichung wie „Furor“ und „Auswisch“ erscheinen, so wie ein unschuldiges Kind sie verstehen würde.
Die Hauptfigur Bruno, in seiner Unbeschwertheit, versucht auf kindliche Weise, die Zusammenhänge zwischen seiner vertrauten Welt und dem, was er im Konzentrationslager beobachtet, zu verstehen. Seine naive Schlussfolgerungen werden nur gelegentlich von seiner älteren Schwester korrigiert, die, obwohl selbst kaum Hoffnung bringend, manchmal dazu neigt, ihm die Welt zu erklären. Das vorhersehbare Ende, als Bruno Schmuel anbietet, auf seiner Seite des Zauns nach seinem Vater zu suchen, lässt den Leser dennoch hoffen, dass der Autor einen anderen Weg einschlagen könnte. Doch ein alternatives Ende hätte nicht gepasst und die Authentizität der Geschichte beeinträchtigt.
Bruno und Schmuel, die am gleichen Tag Geburtstag haben, werden durch den Zaun symbolisch wie ein Spiegelbild betrachtet, das die zwei Seiten einer Medaille zeigt. Die soziale Schicht, in die man hineingeboren wurde, entscheidet darüber, auf welcher Seite des Zauns man landet. Dieser Gedanke reflektiert auch noch heute in bestimmten Situationen, wie stark die soziale Herkunft das Schicksal beeinflussen kann.
„Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist für mich nicht nur eine Lektüre, die man lesen sollte, sondern fast schon eine Pflichtlektüre, um einen Einblick in die unschuldigsten Opfer dieser Zeit zu bekommen.