New York, 1909. Aus einem transatlantischen Frachter steigt eine junge Frau mit ihrem Sohn Natale. Sie kommen aus dem tiefsten Süden Italiens – mit dem Traum von einem besseren Leben in Amerika. Doch in der von Armut, Elend und Kriminalität gezeichneten Lower East Side gelten die gnadenlosen Gesetze der Gangs. Nur wer über ausreichend Robustheit und Durchsetzungskraft verfügt, kann sich hier behaupten. So wie der junge Natale, dem überdies ein besonderes Charisma zu eigen ist, mit dem er die Menschen zu verzaubern vermag …
Cetta ist erst 15 Jahre alt, als sie in ihrer süditalienischen Heimat nach einer brutalen Vergewaltigung schwanger wird. Ihre Mutter hatte alles versucht, um sie vor einem solchen Schicksal zu bewahren, doch die gesellschaftlichen Umstände und die fehlenden Möglichkeiten für junge Frauen in ihrer Lage konnten das nicht verhindern. Mittellos und mit der Hoffnung auf ein besseres Leben macht sich Cetta mit ihrem neugeborenen Sohn Natale auf den Weg nach Amerika.
Bei ihrer Ankunft in den USA wird Natale von den Einwanderungsbehörden in „Christmas“ umbenannt, da sein italienischer Name direkt ins Englische übersetzt wird. Die junge Mutter und ihr Kind landen in der Lower East Side von New York, einem der ärmsten Viertel der Stadt, wo sie sich den harten Bedingungen der Einwanderer stellen müssen. Cetta kämpft darum, ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen, während Christmas mit seiner neuen Identität und den Vorurteilen der Gesellschaft konfrontiert wird.
Der Roman schildert eindrucksvoll die harten Lebensumstände der Einwanderer im frühen 20. Jahrhundert. Armut, soziale Ungleichheit und kulturelle Barrieren machen es Cetta schwer, sich in der fremden Welt zurechtzufinden. Doch trotz der Herausforderungen bleibt sie entschlossen, ihrem Sohn ein Leben jenseits der Misere zu ermöglichen. Während Christmas heranwächst, erfährt er nicht nur Ausgrenzung und Härte, sondern auch Freundschaft, Loyalität und erste Liebe.
Im Zentrum der Geschichte steht der unerschütterliche Überlebenswille der Mutter und der Wunsch des Sohnes, sich trotz aller Widrigkeiten zu behaupten. Christmas entwickelt sich zu einem jungen Mann, der seinen Platz in der Welt sucht und dabei sowohl von den Erfahrungen seiner Kindheit als auch von den Menschen, die seinen Weg kreuzen, geprägt wird.
Die Erzählung verwebt Themen wie Migration, soziale Gerechtigkeit und familiären Zusammenhalt und zeichnet dabei ein realistisches Bild der damaligen Zeit. Neben den Schicksalen von Cetta und Christmas rücken auch die Geschichten der Menschen, denen sie begegnen, in den Fokus und zeigen, wie unterschiedlich Träume, Hoffnungen und Herausforderungen sein können.
Begleitet wird das Geschehen von der Darstellung einer außergewöhnlichen Liebe, die sich trotz widrigster Umstände entwickelt und die Figuren auf unerwartete Weise miteinander verbindet. Die Geschichte vermittelt eindrücklich, wie Mut, Entschlossenheit und die Suche nach Zugehörigkeit das Leben eines Menschen formen können.
Der Roman bietet nicht nur eine spannende Erzählung, sondern auch einen schonungslosen Einblick in das Leben der Einwanderer im New York der Zwanzigerjahre. Er beleuchtet die harten sozialen Bedingungen, die ungleichen Chancen und die allgegenwärtige Korruption, die in dieser aufstrebenden Metropole herrschten. Auch der aufkommende Glamour der Film- und Autoindustrie wird lebendig beschrieben und steht im Kontrast zum harten Überlebenskampf der einfachen Leute. Dabei wird deutlich, dass der Wunsch nach Reichtum und Erfolg die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten gleichermaßen antreibt – ein Thema, das auch heute noch relevant erscheint.
Die Hauptfiguren, insbesondere Christmas und seine Mutter Cetta, sind in ihrem Denken und Handeln tiefgehend beschrieben, was es leicht macht, ihre Entwicklung und Entscheidungen nachzuvollziehen. Besonders die Darstellung der Mutter ist zu Beginn des Buches sehr bewegend und mitreißend. Ihre Flucht aus Italien, ihre Hoffnungen und die Härte, mit der sie im neuen Land konfrontiert wird, fesseln und berühren.
Allerdings gibt es auch einige Schwächen im Aufbau der Geschichte. Die Zeitsprünge zwischen Christmas‘ Kindheit und Jugend wirken gelegentlich unstrukturiert, sodass der Lesefluss gestört wird. Zwar sollen diese Rückblenden wohl die Motivation der Figuren verdeutlichen, doch ihr Einsatz wirkt teilweise eher zufällig als gezielt.
Auch die detaillierte Schilderung der inneren Konflikte und Gedankenwelten der Figuren ist nicht immer überzeugend. Während Cettas Überlebenskampf und Christmas‘ Fixierung auf Ruth gut dargestellt sind, nehmen einige Abschnitte, insbesondere die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Täters und der psychischen Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse, zu viel Raum ein. Dies verlangsamt den Spannungsbogen im Mittelteil des Buches spürbar.
Zum Ende hin lässt die Spannung etwas nach, da sich der Fokus zu stark auf die emotionale Verarbeitung und weniger auf die eigentliche Handlung konzentriert. Dennoch bietet der Roman insgesamt eine berührende und gut erzählte Geschichte, die sowohl erschreckende als auch hoffnungsvolle Momente enthält. Der versöhnliche Abschluss mit einem Happy End rundet die Erzählung positiv ab, auch wenn er vielleicht etwas vorhersehbar erscheint.
Ein bewegender Roman, der einen tiefen Einblick in das Leben der Einwanderer bietet und trotz einiger Längen und erzählerischer Schwächen insgesamt fesselt. Besonders die starke Mutterfigur und der historische Kontext machen die Geschichte lesenswert.