Jedes Jahr wüten in Minas Heimat tödliche Stürme. Und jedes Jahr wird das schönste Mädchen in die Fluten geworfen. Denn eines Tages, so die Legenden, soll die wahre Braut des Meeresgottes auserwählt werden und den Unwettern ein Ende bereiten. Doch dieses Jahr greift Minas Bruder in das Ritual ein und gerät dabei in Lebensgefahr. Um ihn zu retten, opfert Mina sich freiwillig. Im Reich der Geister stellt sie allerdings fest, dass auf dem Meeresgott ein Fluch liegt. Und ihr nur dreißig Tage bleiben, um ihn zu brechen und die Stürme für immer zu beenden …
In einer von Stürmen gezeichneten Welt lebt die junge Mina, deren Heimat seit über einem Jahrhundert von unablässigen Unwettern heimgesucht wird. Die Legende erzählt, dass der Ursprung dieser Naturkatastrophen im Zorn des Meeresgottes liegt – ein Zorn, der nur durch das regelmäßige Opfern einer schönen jungen Frau besänftigt werden kann. Diese Auserwählte wird als Braut des Meeresgottes in die tobenden Fluten gegeben.
Als Mina erfährt, dass ausgerechnet Sim Cheong, die Geliebte ihres Bruders Joon, dieses Schicksal ereilen soll, trifft sie eine mutige Entscheidung. Ohne zu zögern nimmt sie freiwillig Sim Cheongs Platz ein und lässt sich den Göttern opfern, um ihren Bruder vor Schmerz zu bewahren. So gelangt Mina in die mystische und gefährliche Welt der Geister und Götter – ein Ort voller Magie, Geheimnisse und längst vergessener Mächte.
Im Unterwasserpalast des Meeresgottes begegnet sie einem stillen, tieftraurigen Herrscher, der von einem Fluch gefangen gehalten wird. Mina glaubt, ihn retten zu können. Doch bevor sie handeln kann, greift Lord Shin ein – der Wächter des Meeresgottes. Er kappt den Schicksalsfaden, der Mina mit dem Gott verbindet, und setzt damit eine Reihe unvorhersehbarer Ereignisse in Gang.
Durch diesen Bruch des Schicksals gerät Mina in ein Netz aus Intrigen, Machtkämpfen und alten Konflikten zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Geister. Um einen Ausweg zu finden, ist sie gezwungen, mit Lord Shin einen riskanten Pakt einzugehen. Dabei entdeckt sie, dass ihr Schicksal nicht festgeschrieben ist – und dass sie vielleicht mehr Macht besitzt, als sie je für möglich gehalten hätte.
Auf ihrer Reise stellt sich Mina nicht nur übernatürlichen Prüfungen, sondern auch tiefen inneren Konflikten. Während sie versucht, die Wahrheit über den Meeresgott, den Fluch und das Gleichgewicht zwischen den Welten zu erkennen, muss sie lernen, auf ihre eigenen Entscheidungen zu vertrauen. Die Frage ist: Wird sie einen Weg finden, beide Welten zu retten – und sich selbst?
Diese Geschichte erzählt von Mut, Selbstaufopferung, Liebe und dem Ringen mit dem eigenen Schicksal – eingebettet in eine märchenhafte Welt, inspiriert von fernöstlicher Mythologie.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir angenehm leicht, was vor allem am flüssigen und harmonischen Schreibstil der Autorin lag. Die Sprache ist klar und bildhaft, sodass man sich schnell in der Welt von Mina zurechtfindet. Das Erzähltempo ist anfangs eher ruhig und gemächlich, was gut zur märchenhaften Atmosphäre passt, doch gerade zu Beginn hätte ich mir stellenweise etwas mehr Tempo gewünscht, da die Handlung zunächst eher langsam Fahrt aufnimmt.
Mit dem Fortschreiten der Geschichte steigert sich jedoch das Tempo, und die Handlung entfaltet nach und nach ihren vollen Zauber. Besonders gelungen fand ich die Art und Weise, wie Axie Oh die mythologischen Elemente in die Handlung eingebettet hat. Diese wirken niemals aufgesetzt, sondern fügen sich stimmig in die Erzählung ein und verleihen ihr eine besondere Tiefe. Die Welt wirkt detailreich und lebendig – ein märchenhaftes Setting, das zum Träumen einlädt.
Die Handlung an sich ist spannend und insgesamt gut durchdacht, auch wenn einige Wendungen für mich recht vorhersehbar waren. Gerade die fehlenden Überraschungsmomente haben mir ein wenig gefehlt – an manchen Stellen hätte ich mir mehr Unerwartetes gewünscht, um das Leseerlebnis noch fesselnder zu gestalten.
Ein klarer Pluspunkt sind die Figuren. Mina war mir von Anfang an sympathisch – stark, selbstlos und mutig. Auch die Nebenfiguren sind liebevoll und mit ausreichend Tiefe ausgearbeitet worden, was die emotionale Verbundenheit zur Geschichte zusätzlich verstärkt hat. Besonders schön fand ich auch, wie deutlich der kulturelle Einfluss Koreas spürbar war – sei es durch den Familienzusammenhalt oder durch die spirituelle Welt, in der Glauben und Schicksal eng miteinander verwoben sind.
„Das Mädchen, das in den Wellen verschwand“ ist ein ruhiger, aber gefühlvoller Fantasyroman mit märchenhaften Zügen. Auch wenn mich die Handlung nicht mit vielen Wendungen überraschen konnte, hat mich die atmosphärische Erzählweise, die mythologische Tiefe und die starke Protagonistin überzeugt. Ein empfehlenswerter Roman für alle, die Geschichten mit fernöstlichem Flair und poetischer Sprache lieben.