Das alte Farmhaus der Familie Morrow steht fernab von jeder Straße. Und das aus gutem Grund – denn wenn in der Umgebung eine Frau verschwindet, klopft niemand an ihre Tür und stellt neugierige Fragen. Und niemand schaut nach, was sie schon wieder im Hinterhof begraben haben.
Aber der 19-jährige Michael ist nicht wie der Rest seiner Familie. Er wünscht sich ein Leben weit fort von all dem Grauen.
Als Michael in der nahe gelegenen Stadt die hübsche Alice trifft, vergisst er für einen Moment fast das Ungeheuer, zu dem er selbst geworden ist. Doch sein Bruder Rebel erinnert Michael daran, wohin er gehört …
In dem packenden Roman „Bruder“ wird die herzzerreißende Geschichte von Michael erzählt, der als Kind entführt und bei der Familie Morrow großgezogen wurde. Von seiner leiblichen Familie angeblich verstoßen, wird ihm bei den Morrows täglich eingetrichtert, dass er sich fügen muss, da ihm andernfalls der Tod im Wald droht. Gezwungen, sich in sein schreckliches Schicksal zu fügen, durchlebt Michael ein Leben voller Grauen und Gewalt in seiner neuen Familie.
Unter den bedrückenden Umständen wächst Michael gemeinsam mit seinen neuen Geschwistern auf, wobei Gewalt, insbesondere gegen Mädchen und Frauen, an der Tagesordnung steht. Nach und nach beginnt Michael jedoch, alles zu hinterfragen. Doch seine Angst und seine Liebe zu einem Mädchen und dann zu einem zweiten hindern ihn daran, auszubrechen. Hinzu kommt der unerklärliche Hass seines Bruders, der sich stetig zu einem unüberwindbaren Hindernis aufbaut.
In dieser düsteren Welt findet Michael Trost und Unterstützung nur bei seiner Schwester Misty. Doch selbst ihr Zusammenhalt gerät durch die wachsenden Spannungen innerhalb der Familie immer mehr ins Wanken und als sich Michael verliebt, spitzt sich die Lage zu.
In „Bruder“ wird ein fesselnder Konflikt zwischen den beiden Brüdern Rebel und Michael in den Mittelpunkt gerückt. Während Rebel sich an den Taten ergötzt, die sie begehen, scheint Michael eher als zögerlicher Mitläufer zu fungieren, dessen Motivation von Angst vor seinem Bruder geprägt ist.
Die Charakterisierung der beiden Brüder ist meisterhaft gelungen und ermöglicht es dem Leser, sich mit ihnen zu identifizieren. Obwohl die Nebenfiguren, einschließlich der Opfer und der Familie der Brüder, eher oberflächlich beschrieben werden, empfinde ich dies nicht als Manko. Tatsächlich hätte die Geschichte durchaus als ein Zweipersonenstück mit den Opfern in den Hauptrollen inszeniert werden können.
Bereits auf den ersten Seiten zieht die Autorin den Leser mit einer packenden Erzählweise in ihren Bann, der bis zum furiosen Finale nicht mehr losgelassen wird. Dank der ausgezeichneten Beschreibung der Brüder hatte ich sie sofort vor meinem inneren Auge: das fiese Grinsen von Rebel, die schüchterne Ausstrahlung von Michael und die träumerische Schwester.
Besonders faszinierend war für mich der Konflikt zwischen den Brüdern, bei dem Michael sich allmählich von der Kontrolle Rebels zu lösen scheint, nachdem er anfänglich ein gehorsamer Mitläufer war.
Die Art und Weise, wie sich alles nach und nach aufklärt und welche Folgen so manche Tat nach sich zieht war sehr gut durchdacht und ergab einige AHA-Momente.
Für mich bot das Buch erstklassige Unterhaltung, weshalb ich ihm die volle Punktzahl gebe und es uneingeschränkt weiterempfehle!