Was bedeutet Familie für dich? Wärme, Geborgenheit und Zusammenhalt? Dann hast du die Kollers noch nicht kennengelernt …Der siebzehnjährige Fips und seine Geschwister haben kaum eine Vorstellung davon, was eine normale Familie ist. Das Zusammenleben mit dem sadistischen Vater und der gefühllosen Mutter ist ein wahr gewordener Albtraum aus Unterdrückung und Gewalt.Im Laufe der Jahre ist es dem herrischen Familienoberhaupt gelungen, die eigene Familie völlig zu instrumentalisieren und seine Kinder zu Handlangern seiner grausamen Verbrechen zu degradieren. Auch Fips begeht unaussprechliche Gräueltaten. Als er endlich die Kraft findet, gegen sein Schicksal zu kämpfen, wird die Zeit für die auf dem Dachboden gefangenen Frauen bereits knapp. Wird es dem Jungen gelingen, die Opfer seines Vaters und damit die eigene Seele zu retten oder ist es schon zu spät?
In einem abgeschotteten Haus lebt eine Familie, deren Alltag von Gewalt, Angst und Grausamkeit geprägt ist. Für die Außenwelt unsichtbar spielt sich dort eine düstere Dynamik ab, in der Schmerz zur Normalität und jede Form von Mitgefühl zur Schwäche erklärt wurde. Der Vater herrscht mit brutaler Härte und genießt es, andere zu quälen – seine Vorliebe für Folter und Leid kennt keine Grenzen. Unterstützt wird er dabei von den meisten seiner Kinder, die in das grausame Spiel mit einsteigen, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Nur einer fällt aus dem Rahmen: Fips. Der Junge ist hin- und hergerissen zwischen der erdrückenden Macht seiner Familie und dem Wunsch, diesem kranken Alltag zu entkommen. Anders als seine Geschwister verspürt er Mitleid mit den Opfern und kann die sadistischen Taten kaum ertragen. Doch geprägt von einem Leben voller Angst und Kontrolle, wagt er lange Zeit nicht, sich gegen das Unrecht zu stellen.
Die Mutter ist für ihn kein Halt – sie hat sich längst in eine gefühllose Hülle verwandelt, die passiv alles über sich ergehen lässt. Fips fühlt sich allein mit seiner Abscheu und seiner Unsicherheit darüber, ob das, was er täglich erlebt, wirklich das normale Leben sein soll. Immer wieder kreisen seine Gedanken um die Frage, ob Blut tatsächlich dicker ist als Wasser – und ob Loyalität zur Familie auch dann gelten muss, wenn diese jedes menschliche Maß verloren hat.
Gefangen in einem albtraumhaften System aus Angst, Unterdrückung und Gewalt muss Fips entscheiden, ob er Teil dieser Familie bleiben oder einen Weg in die Freiheit finden will. Doch der Preis für eine Entscheidung gegen das eigene Blut kann tödlich sein.
Wie auch in ihren vorherigen Büchern liefert Simone Trojahn mit diesem Roman ein Werk ab, das sich weit von weichgespülten Erzählungen entfernt. Statt romantischer Klischees oder einfacher Schwarz-Weiß-Zeichnungen bietet sie erneut einen schonungslosen Blick in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche – verpackt in eine Geschichte, die nichts beschönigt und dem Leser einiges abverlangt.
Im Mittelpunkt steht eine Familie, in der Gewalt zum Alltag gehört. Doch anstatt lediglich auf Schockeffekte zu setzen, geht die Autorin in die Tiefe: Jeder Charakter bekommt Raum, um sich zu entfalten. Die Persönlichkeiten sind nicht einfach nur Täter oder Opfer – sie sind komplex, mit Ängsten, Traumata und einer Vergangenheit, die vieles erklärt, wenn auch nicht entschuldigt.
Gerade Fips, der sich zunehmend vom familiären Grauen abgrenzt, bleibt als Figur lange im Gedächtnis. Seine moralischen Zweifel, seine innere Zerrissenheit und seine Suche nach Menschlichkeit in einer Welt voller Grausamkeit machen ihn zu einer tragischen, greifbaren Figur. Trojahns Sprache ist dabei präzise, drastisch, manchmal kaum auszuhalten – und dennoch durchzogen von einem leisen Unterton, der zum Nachdenken anregt.
Was diesen Roman besonders macht, ist die Atmosphäre. Die bildhafte Sprache lässt die düsteren Schauplätze fast greifbar wirken, die bedrückende Stimmung kriecht beim Lesen förmlich unter die Haut. Trotz der Brutalität – oder gerade deswegen – bleibt man dran, weil man wissen will: Wie weit geht das noch? Gibt es Hoffnung? Gibt es Rettung?
Ein düsteres, kompromissloses Buch, das unter die Haut geht. Mit messerscharfer Beobachtungsgabe seziert Simone Trojahn das Böse hinter der Fassade – intensiv, brutal und erschütternd echt. Sicher nichts für empfindliche Leser, aber für alle, die sich mit den Abgründen des Menschseins auseinandersetzen wollen, eine klare Empfehlung.